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2005

Kanzlei für Anwälte

München

Über das sehr helle Treppenhaus betritt man die Kanzlei für Anwälte und Steuerberater in der Ledererstrassse in der Münchner Stadtmitte. Man betritt einen vollkommen unerwarteten Raum, in magischem, mattem Schwarz, an Wand, Boden und! Decke, mit weißem Text an der linken Wand. Gegenüber, also an der rechten Wand, sind raumhohe Spiegel angebracht, die den Raum visuell deutlich vergrößern und ihm durch die Reflektion des Betrachters Maßstab und Bedeutung verleihen. Das Licht kommt aus weißen Deckenflutern, die im Grundriss verschiebbar an einer Stromschiene angebracht sind. Auch der Boden ist schwarz, aus Linoleum. die Türen und Türstöcke sind blendend weiß, hochglänzend lackiert. Das ist keine »Kanzlei«… aber doch ein besonderer Ort. Es verlocken das fette Rot der Erschließung und die verheißungsvolle Helligkeit des Empfangs. Die Orientierung ist ganz klar, ebenso wie die Hierarchien der Räume. Ein Kicker steht im »Grünen« – er selbst aber Darth Vader-mässig mattschwarz umgespritzt. Photographie: Kilian Stauss

 

Fragen der Vorstellungskraft

„Mich beschäftigen die Fragen: wer bekommt es mit den Gerichten zu tun? warum bekommt man es mit den Gerichten zu tun? wie muss man es anstellen, nicht mit den Gerichten zu tun zu bekommen? mit wem bekommt man zu tun, wenn man mit den Gerichten zu tun bekommt?“

Diese Fragen leiten das Vorwort zu einem „Lesebuch für Angeklagte“ ein, das der Wiener Strafverteidiger Walther Rode 1931 veröffentlicht hat. Heute bilden sie den Prolog für den Besuch in unserer Kanzlei in der Ledererstraße. Wer sie liest, bekommt einen ersten Hinweis darauf, dass, wenn es vor Gericht geht, längst nicht alles beschlossene Sache ist. Dort, wie an so vielen anderen Stellen auch, sind Menschen am Werk. Ob dies gut oder schlecht ist, steht vorerst dahin, aber man sollte es nie vergessen.

Es war Peter Bohns Idee, Empfang und Konferenzraum zu „betexten“, und er bat mich, eine Auswahl zu treffen. Damit stieß er mich auf angenehm beiläufige Art auf die Frage, welche ersten Eindrücke wir denjenigen, die unsere Kanzlei betreten, vermitteln wollen. Der vermeintlich einfachste und sicherste Weg besteht darin, seinen Klienten mit möglichst vielen Hinweisen auf die eigene Professionalität entgegen zu treten. Dieses Vorgehen schafft jedoch manchmal mehr Distanz als Vertrauen.

Meine Partner und ich haben es als Privileg verstanden, unseren Arbeitsplatz nach eigenen Vorstellungen gestalten zu dürfen. Wir waren uns bald einig, dass wir neben der professionellen Außenwirkung auch eine persönliche schaffen wollten. In den für uns neuen Räumen, die zuvor über fünfzig Jahre lang die Stadtkämmerei beheimatet hatten, bedeutete das zunächst, den in dieser Zeit übermächtig gewordenen Beamtengeist zu zähmen, und ihm dort, wo man ihn nicht austreiben konnte oder wollte, ein ansehnliches Äußeres zu schenken. So befanden sich – und befinden sich heute immer noch – meterlange hölzerne Aktenschränke an den Wänden, deren Rollschiebetüren eine echte Rarität darstellen. Dennoch hätte die übliche Vorgehensweise darin bestanden, sie herauszureißen und ein modernes Regalsystem zu installieren. Bei uns aber leuchten heute die alten Möbel, die angeblich schon als das Grundgesetz verabschiedet wurde, in Gebrauch waren, in einem Orange, das sie sich selbst nie hätten träumen lassen.

Als uns Peter Bohn seine Planungen für den Umbau erstmals vorlegte, erschienen sie uns kühn und gewagt. Insbesondere das Farbkonzept – Anthrazit, Orange, und jenes Froschgrün, das so oder ähnlich immer wieder in seinen Arbeiten auftaucht – forderte unsere Vorstellungskraft. Viel mehr als diese, stimmte mich damals aber die Sicherheit seines Strichs zuversichtlich. Was uns anfangs verwirrend und vielleicht sogar unverständlich erschien, entpuppte sich schließlich als geradezu zwingendes Ergebnis. Wie wir wissen, durchlebt mancher Mandant vom Beginn eines Verfahrens bis zu dessen Ende sehr Ähnliches. Einen entscheidenden Unterschied allerdings gibt es schon: Ihren Architekten suchen die meisten Menschen freiwillig auf, ihren Rechtsanwalt oder Steuerberater nicht. Sie tun es, weil sie Hilfe im Umgang mit den Gesetzen brauchen. Dem persönlichen Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant kommt dabei entscheidende Bedeutung zu. Es ist deshalb wichtig, in einer Atmosphäre zu arbeiten, die nicht vergessen lässt, was das Ziel der Beratung sein muss. Oft trifft darauf Walther Rodes Formulierung zu, die heute an der Wand unseres Konferenzraums zu lesen steht:

„Es gibt bestimmte Erscheinungsformen der Dinge und Menschen, in denen diese die Beachtung der Behörden erlangen. Und es gibt eine Technik, so zu leben, dass von einem keine Notiz genommen wird.“

Georg M. Oswald